Jede Trailrunnerin, jeden Trailrunner gibt es nur ein Mal!

Mit dem Innsbruck Alpine Trail Festival am ersten Maiwochenende 2019 beginnt quasi offiziell die Trailrunning-Saison in Österreich – zumindest ist dies der Claim der Organisatoren, die rund 3000 Läufer und Läuferinnen begrüßen können. Unter ihnen befinden sich auch einige Leute, die von mir betreut sind, und der ein oder andere fragte mich im Vorfeld nach einer realistischen Zielzeit für seinen/für ihren Wettbewerb.

Nun bin ich Trailläufer und Sportwissenschaftler – und kein Hellseher. Zu viele Aspekte spielen an einem Renntag eine Rolle, einige von diesen habe ich im Blick, andere – Wetter- und Bodenverhältnisse, Profil und Streckenverlauf, Tagesverfassung der Teilnehmer/Teilnehmerin – weniger. Deswegen gebe ich höchst selten Prognosen für Zielzeiten ab, auch, weil diese sich ohnehin von alleine ergibt. Warum sich darüber den Kopf zerbrechen?!

Viel wichtiger sind mir da andere Aspekte im Sport und im Training, und am wichtigsten ist die Erkenntnis, dass es jeden von uns nur ein einziges Mal gibt!

Dass das Training somit altersgerecht, individuell sein und eine zunehmende Spezialisierung (im Trainingsjahr, aber auch mehrjährig) aufweisen muss, ist gut nachvollziehbar. Das biologische Alter, das Trainingsalter im Laufsport und Erfahrungen in anderen sportlichen Bereichen führen zu gänzlich unterschiedlichen Voraussetzungen und daher auch zu anderer individueller Anpassung.  Das Alter hat aber natürlich auch einen biographischen Hintergrund, die Wahrnehmungen ändern sich: Die Jugend erlebt die Welt einfach anders, die Zeit scheint viel langsamer zu vergehen, sie kann es kaum erwarten, älter zu werden. Ab der Lebensmitte nimmt die Zeit Fahrt auf, ein Termin folgt dem nächsten, und wir haben kaum eine ruhige Minute. Lebensenergie kann im Alter genauso fließen, Einstellungssache und mit Herzensblut dabei zu sein bringt die besten Resultate!  

Von klein auf muss der motorische Bewegungsrucksack so gut wie möglich gefüllt werden, um später im Gelände entsprechend viele Antwortmöglichkeiten parat zu haben. Das Sprichwort „was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr“ hat zwar heute keine große Bedeutung mehr, nur: mit zunehmendem Alter und dem verloren gegangenen Spieltrieb wird´s nicht leichter. Wenn dann noch das Mensch-Maschine-Modelldenken zum Einsatz kommt und wir glauben, mit zunehmendem Alter verschleißen unsere Teile, schieben wir uns selbst einen Riegel vor. Bergablaufen macht die Knie kaputt, ich hatte einen Bandscheibenvorfall, und so weiter sind nur ein paar der gängigen Ausreden. Wer sich an solche Glaubenssätze bindet, kann die Freiheit zum Spielen draußen nicht mehr entdecken. Klar ist, dass hier wie überall anders die Dosis entscheidet! Ich weiß, wovon ich schreibe, auch ich habe meine (schmerzlichen) Erfahrungen gemacht und einen langen Weg zurück hinter mich gebracht.

Somit müssen die einzelnen Trainingsinhalte und ihre wechselseitigen Wirkungen in den einzelnen Einheiten, im Wochen-, Monats-, Jahres-, und im Lebensverlauf mitbedacht werden. Dass man hier einmal die Übersicht verlieren kann, ist nachvollziehbar. Dies macht aber einen erfahrenen Trainingsbegleiter aus, der sowohl ins Detail der Einheit blicken kann, als auch gleichzeitig das Wettkampfjahr und die langjährige Leistungsentwicklung im Auge hat. Dieses ständige Hineinzoomen in den Mikrokosmos und der Blick von weit oben funktioniert in der Trainingsbegleitung wie bei Google Earth.

Um eine Einschätzung der Ausdauerleistungsfähigkeit des Individuums zu bekommen, macht eine Laktattestung durchaus Sinn. Hier zeigen sich die Stärken und die Schwächen im Profil. Wie schon weiter oben beschrieben, spielt der Bewegungsablauf eine große Rolle und wird im Zuge der Testung gleich miteinbezogen. So kommen wir zu einer komplexen Einschätzung des sportmotorischen Ablaufs und nicht nur zu den Werten der einzelnen Trainingsbereiche. Die Freude am eigenen Tun und Handeln sollte aber nicht durch die „Ausmerzung“ der eigenen Schwächen vergehen, sondern die Betonung auf dem, was man gut kann sollte vordergründig bleiben. Sonst würde das Laufen wieder in Arbeit ausarten – und das braucht ja wohl niemand. Sich seiner Stärken bewusst zu werden und diese vorrangig zu bedienen ist ein Garant für eine zufriedene und nachhaltige Weiterentwicklung. Mit dem Motto „Stärken stärken“ ist es nicht nötig, den Kopf in den Sand stecken oder sich selbst zu bemitleiden oder neidisch auf die anderen zu blicken, sondern sich selbst mit Zufriedenheit auf dem richtigen Weg zu sehen.

Dieses Prinzip des an-den-eigenen-Stärken-arbeiten kann am besten durch einen geschulten Blick von außen neue Aspekte ergeben, und viele entdecken sich im Zuge dessen neu. Oft ist die Selbsteinschätzung doch ein wenig anders als die Realität. Falls es eine Bestätigung (á la „hab ich eh gewusst“) ist, dann weiß man sowieso, wer der Herr im eigenen Haus ist! Dann ist sowieso alles gut.

Sowohl das Alter auch die Jugend haben ihre Vor- und Nachteile. Heute wird das Alter oft als Krise verkauft, doch diesen Ansatz kann ich nicht teilen. Im Training gilt grundsätzlich: „alt und lang“ und  „jung und kurz“. Mit zunehmendem Alter kommt dem Ausgleichstraining immer mehr Bedeutung zu, und die schneller abnehmende Kraftkomponente sollte entsprechende Beachtung finden. Heranwachsende sind gut beraten, sich nicht zu früh zu spezialisieren.

Wer viele Sportarten im Köcher hat, tut sich auch leichter, eventuelle Verletzungszeiten zu überbrücken. Oft führt eine Zwangspause beim Laufen eventuell dazu, den nächsten Schritt nach vorne zu machen. Wer Schwimmen, Langlaufen, Klettern, Radfahren, Skitourengehen im Repertoire hat, muss die Verletzungspause dann auch nicht deprimiert aussitzen.

Aber genug der Theorie! Mein Ratschlag für die nächsten Wochen: Nicht viel grübeln, lieber gleich einmal nach draußen gehen, dort, wo sich das Leben abspielt. Gern berate ich euch dabei. Oder habt ein wenig Geduld – am Buch wird fleißig gearbeitet!

Übrigens: Das nächste Mal stelle ich euch im Zuge der Individualisierung den Laktatstufentest vor. Soviel kann ich schon verraten – viele Mythen ranken sich um diese Testmethode.

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